26. Februar 2024

Der Fall der Genossenschaft Co.net

 Staunen über die Deutschen: So erlebte Cala Ratjada Aufstieg und Fall der Genossenschaft Co.net

Jahrelang war der Küstenort im Co.net-Fieber. Doch spätestens seit der Razzia bei der deutschen Genossenschaft ist die Ernüchterung groß



as Logo an der Firmenzentrale von Co.net in Cala Ratjada. SOPHIE MONO

Ob unter Deutschen oder Mallorquinern – es ist das Dorfgespräch in Cala Ratjada: der tiefe Fall von Co.net. Kaum jemand, der auf dem Spielplatz, im Supermarkt oder im Café nicht auf das Thema zu sprechen kommt. Wegen des internationalen Ausmaßes der länderübergreifenden Riesen-Razzien am Freitag (23.2.). Vor allem aber wegen der lokalen Bedeutung. Praktisch jeder im Ort kennt jemanden, der in den vergangenen Jahren für die Verbrauchergenossenschaft gearbeitet hat. Noch immer ist das Co.net-Logo im Küstenort allgegenwärtig, es prangt auf Ferienanlagen, Autos, Hotels. Niemand, der nichts von Co.net weiß.

Kein Wunder: Co.net kam in Cala Ratjada nie bescheiden und leise daher. So tosend sie derzeit untergeht, so lautstark machte sich die Genossenschaft einst im Ort breit. Zunächst staunend, dann mit immer mehr Wohlwollen sahen viele Einheimische mit an, wie die deutschen Investoren sich vor einigen Jahren mit Neueröffnungen und Aufkäufen in der Gemeinde Capdepera geradezu überschlugen.

Gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne, verantwortungsvolle Posten
Größer, höher, weiter, das war die offen kommunizierte Devise. Irgendwie abgehoben, irgendwie deplatziert anmutend im doch recht bodenständigen Cala Ratjada, gleichzeitig aber stets um Anerkennung und Akzeptanz der Bevölkerung bemüht. Co.net suchte neue Mitarbeiter gezielt vor Ort – sowohl Spaniern als auch deutschen Residenten eröffneten sich beruflich plötzlich ganz neue Perspektiven: gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne, verantwortungsvolle Posten, ganzjährige Anstellungen. Bei einem Arbeitgeber, bei dem Geld keine Rolle zu spielen schien. Und so ließen sich viele anstecken vom Co.net-Fieber. 

Auch Co.net-Mitgründer Thomas Limberg scheute den öffentlichen Auftritt nie. Lange kannte man den blonden Hünen mit dem schulterlangen Haar als wohlhabenden Gast in Cala Ratajdas Nachtleben und Gastronomie. Spendabel, unbekümmert, gerne im Rampenlicht. In der Phase des großen Aufschwungs dann gab er sich zudem betont volksnah.

Mit deutschen Weihnachtsmarkt-Buden den Corona-Blues vertreiben
Noch immer erinnert sich mancher Mallorquiner an die lautstarke Gruppe von Co.net-Leuten, die 2018 mit einem deutschen Bollerwagen voll Kräuterschnaps beim traditionellen Sant-Antoni-Fest mitmischten. Oder an die extra aus Deutschland importierten Weihnachtsmarkt-Buden, mit denen Limberg und seine Leute im Winter 2021 versuchten, den Corona-Blues im Ort durch nordische Adventsstimmung zu vertreiben.

Aktionen, die zwar einiges Stirnrunzeln bei den Einheimischen hervorriefen, letztlich aber doch billigend angenommen wurden. Man fühlte sich irgendwie geschmeichelt, dass dieser eigenartige Deutsche, der kaum Spanisch spricht und auch sonst wenig mit der Alltagswirklichkeit des Durchschnittsmallorquiners gemein hat, sich so ins Zeug legte, um den Bewohnern zu gefallen und dem Ort Gutes zu tun.

2022 erstmals Negativmeldungen im Dorftratsch
2022 wurde es plötzlich stiller um Co.net. Kein Weihnachtsmarkt diesmal, keine neuen Ankündigungen für weitere Großinvestitionen. Dann machten im Dorftratsch erstmals Negativmeldungen über die Genossenschaft die Runde. Von Entlassungen munkelte man, Geldproblemen, von Gehältern, die nicht ausgezahlt wurden. Langsam kippte die Stimmung – und die kollektive Ahnung einer herannahenden Bauchlandung wuchs.

Doch dass das Co.net-Imperium nun so lautstark zerbricht, hätte wohl kaum jemand im Küstenort gedacht. Auf Rückhalt in der Bevölkerung kann Limberg dort nicht mehr bauen. Vielmehr ist dieser Tage Häme aus den Stimmen der Menschen herauszuhören, wenn sie über den Großeinsatz der Polizei gegen den Co.net-Boss und seine Komplizen sprechen. Zu viele Menschen in Cala Ratjada warten noch immer auf ihren Lohn, fühlen sich hintergangen, benutzt. Ein Satz fällt immer wieder im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Festnahme von Thomas Limberg: “Das geschieht ihm recht.”

Quelle: mallorcazeitung.es

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